DIE DIGITALISIERUNG IST GEGENWART UND ZUKUNFT - Interview mit Dr. Arend Oetker, Eigentümer DR. AREND OETKER HOLDING GMBH & Co. KG

Was hält Sie nachts wach?

Mir war im letzten Jahr besonders wichtig, zu Lebzeiten den größten Teil meiner Unternehmen auf meine Kinder zu übertragen. Sowohl das Vermögen als auch die Verantwortung. Dabei habe ich nicht allein über das Vorgehen und die Aufteilung entschieden, sondern alle meine fünf Kinder waren wesentlich an dem Prozess beteiligt und es gab eine gerechte Verteilung.

Ich habe bewusst frühzeitig mit der Übertragung begonnen, damit ich meine Kinder in dieser Zeit auch noch coachen und ihnen meine Meinung mitteilen kann.

Von welchem Unternehmen können Sie am meisten für Ihre Zukunft lernen und warum?

Ich bin kein Mensch der digitalen Welt, ich bin kein Mensch mit einem digitalen Terminkalender. Ich gehöre zur Old Economy. Daher fällt mir die Antwort schwer, denn es ist mir bewusst, dass Digitalisierung ist eines der wichtigsten Stichworte für unseren Fortschritt ist.

Wer beschäftigt sich bei Ihnen im Hause mit dem Thema Zukunft?

Die jüngere Generation, also meine Kinder und das Management.

Wie lang / kurzfristig betrachten und planen Sie Ihre Zukunft?

Sehr langfristig. Generationenübergreifend. Wir beschäftigen uns mit Planungen auf zehn Jahre hinaus. Manche Verträge mit Partnern haben noch eine längere Laufzeit. Das ist nur ein ungefährer Horizont.

Mit welchen branchenfremden Personen / Bereichen tauschen Sie sich aus, um mal einen ganz anderen Blickwinkel auf Ihr Geschäft zu werfen?

Meine Unternehmensgruppe ist sehr diversifiziert, d.h. ich bin nicht nur ein einer Branche tätig, beschäftige mich daher von Haus aus mit unterschiedlichsten Bereichen. Wir bemühen uns um Diversität in den Berufungen unserer Mitarbeiter. Und außerdem gehen wir in Regionen dieser Welt, in denen wir bisher nicht tätig waren, wie zum Beispiel neuerdings nach Brasilien.

Wir würden Sie Ihre Unternehmenskultur heute beschreiben und welche Veränderungen wird die Zukunft auf Sie haben?

Wir wollen unsere Unternehmenskultur erhalten mit Werten, die wir sozusagen schon immer gepflegt haben. Dennoch wollen wir notwendige Änderungen vornehmen, was aber nicht unsere Unternehmenskultur verändern muss.

Wie werden sich die Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Mitarbeiter in der Zukunft ändern und wie beschäftigen Sie sich damit?

Wir führen regelmäßig Gespräche mit Betriebsräten in unseren Unternehmen, aber natürlich auch mit einzelnen Mitarbeitern. Die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander wird durch ein Intranet gefördert. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Schwartauer Werke höre ich darauf, was die Arbeitnehmer denken.

Ein wichtiges Anliegen – das auch Teil unserer erwähnten Werte ist – ist beispielsweise der nachhaltige Umgang mit Ressourcen. Aus diesem Grund erstellen wir bei Hero oder den Schwartauer Werken einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem wir festhalten, wie wir in Bezug auf diesen Bereich wirtschaften. Das ist mir wichtiger als kurzfristiges Denken.

Was bedeutet für Sie Erfolg heute und was glauben Sie, wird sich in der Zukunft an den Bestandteilen von Ihrem Erfolg verändern?

Erfolg beinhaltet für mich, dass man wirtschaftlich und menschlich erfolgreich ist. Die wirtschaftliche Seite ist einfach an Zahlen abzulesen. Die menschliche Seite ist komplexer. Dazu gehört, dass man in seinen Aussagen kongruent sein sollte. Man muss kommunikativ und empathisch sein, bei Bedarf zwischen unterschiedlichen Meinungen vermitteln. Man muss mit der Zeit gehen und darf nicht stehen bleiben. Man muss seine Grundwerte behalten. Das ist eine gesunde Mischung, zu der alle Beteiligten beitragen müssen. Es ist wichtig, Dinge gemeinsam zu entwickeln, ein Diktat von oben funktioniert nicht. Und als Unternehmer hat man zusätzlich eine Vorbildfunktion, die man sehr ernst nehmen muss.

Welche Themen standen in der Vergangenheit bei Ihnen im Fokus, was beschäftigt Sie heute und was erwarten Sie für die Zukunft?

In den vergangenen Jahren stand der Generationswechsel bei mir im Fokus, der nun weitgehend vollzogen ist. Ich hoffe auf viele weitere Enkel. Ich hoffe, dass die Familie zusammenhält und weiter wächst. Und dann muss ich Muße finden, um auch einmal in Ruhe nachzudenken. Das fällt mir nicht so leicht, denn ich versuche immer noch, viele Termine wahrzunehmen.

Was war einer Ihrer größten Fehler in der Vergangenheit und wie haben Sie daraus gelernt bzw. Ihr Handeln verändert?

Ich habe viele Fehler gemacht und mache sie heute noch. Die Anzahl der Fehler ist nicht so groß wie die Erfolge – Sie sehen ja, dass ich nicht untergegangen bin. Aber aus Fehlern lernt man bekanntlich am meisten. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse ist, dass man nicht alleine entscheiden sollte. Man muss andere Meinungen hören und gelten lassen, im Team entscheiden, damit nicht der eigene Tunnelblick bestimmt und alle Beteiligten hinter dieser Entscheidung stehen. Ich habe noch nie meine Partner oder das Management überstimmt. Sie sind außerdem alle als Miteigentümer am Kapital beteiligt.

Gibt es denn ein konkretes Beispiel?

Wir haben zum Beispiel früher Bonbons in Bad Schwartau produziert, ohne Erfolg. Dieses Geschäft habe ich auf Drängen der Mitarbeiter verkauft. Umgekehrt haben mich Partner gedrängt, eine Fischfabrik zu kaufen – hier hätte ich mich besser nicht überreden lassen sollen – es wurde ein teures, erfolgloses Projekt.

Woran lag das, dass das nicht funktioniert hat?

Nur an uns und unserem Marketing. Man kann eben nicht alles.

Was könnte Ihr größter Fehler in der Zukunft werden?

Nicht mit der Zeit gehen. Das wäre sicherlich ein großer Fehler.

Der technologische Fortschritt verändert das Konsumverhalten auch im Lebensmittelsektor. Welche Herausforderungen stellt das für Sie dar und wo sehen Sie Ihre größten Chancen?

Wir machen schon sehr viel digital. Vor allem in China. Dort verkaufen wir unsere Babynahrung hauptsächlich digital, es ist unsere einzige Chance übrigens auf dem chinesischen Markt. Es gibt diese neuen Wege der Distribution, die wir nicht verpassen dürfen. Heute ist die digitale Welt fast wichtiger als die analoge Welt. Die Digitalisierung ist die Gegenwart und die Zukunft.

In welcher Form beschäftigen Sie sich mit personalisierten Lebensmittellieferungen und wo sehen Sie hier noch weitere Entwicklungsmöglichkeiten?

Da wir im Mengengeschäft tätig sind, also für tausende oder Millionen Leute produzieren, können wir nicht so individualisiert produzieren, wie Sie sich das vielleicht vorstellen. Aber so etwas wie Heimat, also den Ursprung, zu symbolisieren und in der Markenbotschaft mitzutragen, das erreichen wir beispielsweise mit der Verwendung deutscher Erdbeeren in unserer Schwartau Marmelade. Damit zeigen wir, dass wir regional verwurzelt sind und uns für unsere Heimat engagieren. Ein weiteres Projekt ist „Bee Careful“. Hiermit unterstützen wir bedrohte Bienen in ihrer Umwelt und machen auf die Besonderheit und die Relevanz der Biene aufmerksam. Wir wollen dafür sensibilisieren, dass ohne Bienen keine Blüten befruchtet werden, und wir ohne die Tiere keine Früchte ernten und daher auch keine Marmelade herstellen können. Das ist eines unserer schönsten Projekte. Denn die Biene sie ist nicht nur fleißig, sondern sie ist notwendig – und unser kleinster und einer der wichtigsten „Mitarbeiter“. Und deshalb ist Bee Careful ein Thema, dass gut zu unserem Unternehmen und zum Lebensmittelsektor passt. Dieses Projekt von Schwartau läuft bereits seit 2014 – lange bevor das Thema in aller Munde war, wie heute.

Wo sehen Sie Ihre Rolle und Chance im Bereich der Vorsorge zur Vermeidung von Krankheiten durch Ernährung und Bewegung? Welche Aktivitäten schieben Sie hier bereits an?

Ich habe vor vielen Jahren selbst einmal einen Verein gegründet unter dem Titel „Ernährung und Bewegung“. Es gibt ihn heute noch. Ich befürworte es sehr, wenn Mitarbeiter sich sportliches betätigen. Wir unterstützen aus dem gleichen Grund Sportvereine.

Handel und Industrie durchlaufen einen Rollenwandel: Vom Versorger zum multifunktionalen Dienstleister. - Was gehört zu den Aufgaben eines multifunktionalen Dienstleisters?

Multifunktional – der Begriff passt vielleicht für ein Unternehmen, aber mir gefällt er eigentlich nicht, weil ich immer auf die Menschen, die Mitarbeiter bezogen denke. Und da hat jeder seine Aufgabe, die seinen spezifischen Begabungen entsprechen sollte. Niemand kann alles. Ein Unternehmen muss sich so organisieren, dass alle Mitarbeiter ihre Fähigkeiten nutzen, ihr Potential ausschöpfen und sich zusätzlich weiterentwickeln können.

Wenn Sie drei Eigenschaften nennen müssten, die für Sie die »ideale« Führungskraft in der Zukunft haben sollte, welche wären das?

Selbstbewusstsein, Kritikfähigkeit, Empathie.

Welcher Aspekt sollte für Mitarbeiter entscheidend sein, Sie als Arbeitgeber zu wählen?

Die kulturelle Identität und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Welche Rolle spielt heute bei Ihnen das Thema Emotionale Intelligenz?

Eine große. Die hat sie bei mir aber schon immer gespielt. Wenn Empathie sich mit der Intelligenz nicht verquickt, dann nützt sie wenig. Beide Fähigkeiten müssen zusammengehen. Wenn jemand nicht nur intelligent ist, sondern auch mitfühlend, und zwar in jedem Bereich, ist das eine gute und notwendige Voraussetzung für Erfolg.

Wer oder was inspiriert Sie und welchen Einfluss hat das auf Ihre Rolle als Führungspersönlichkeit?

Ich bin protestantisch erzogen, gehe aber mit meiner katholischen Frau in die Kirche. Pater Josef in der Kirche St. Ludwig in Berlin inspiriert mich. Ich höre seine Predigten immer gerne, denn was er mitzuteilen hat, ist lebensklug und nachdenkenswert.

 

stefanie unger